ZVO kritisiert wissenschaftliche Schwächen der jüngsten ECHA-Studie

In einem offenen Brief an Bjorn Hansen, Executive Director der Europäischen Chemikalienagentur ECHA, bezieht der Zentralverband Oberflächentechnik e.V. (ZVO) Stellung zur im Juli 2020 von der ECHA veröffentlichten Studie "Impacts of REACh restriction and authorisation on substitution in the EU". Der ZVO begrüßt, dass die ECHA mit der Studie versucht, die realen Auswirkungen von Restriktionen und Autorisierungen zu erfassen – hier mit Blick auf die Anforderung zur Substitution von Verwendungen von SVHCs (Substances of Very High Concern). Der ZVO stimmt aus praktischen Erfahrungen von Unternehmen einigen der Ergebnisse und Schlussfolgerungen zu:

  1. Die Wirkung von Beschränkungen auf Substitutionen ist wirksamer als von Autorisierungen.
  2. Nachhaltigkeitsrichtlinien führen wie jede Art von Regulierung naturgemäß zur Prüfung auf alternative Möglichkeiten.
  3. Kundennachfragen beziehungsweise Kundenanforderungen führen direkt zu Überlegungen zu Alternativen, falls die aktuelle Technologie den neuen Anforderungen nicht genügen kann.
  4. Sichere Alternativen erreichen in den seltensten Fällen gleichzeitig finanziellen Nutzen und/oder Wettbewerbsvorteile. Andernfalls wären bereits Substitutionsbemühungen durchgeführt worden, um diese beiden wesentlichen Geschäftsziele zu verbessern.
  5. Die Verringerung der Emissionen in die Umwelt und der Exposition der Arbeitnehmer wird naturgemäß als wichtigster Vorteil der Substitution angesehen, da sie die Gründe für die regulativ geforderte Substitution sind.

Einige Empfehlungen, die aus der Studie gezogen werden, kann der ZVO allerdings nicht nachvollziehen. Zum einen war der Substanzgruppenansatz nicht Gegenstand der Untersuchung und es wurden keine Aussagen dazu getroffen. Der Nutzen der Substanzgruppierung könne daher aus dieser Studie nicht abgeleitet werden. […] Zum andere gab es keine Daten zu den Hintergründen von Netzwerken und technischer Zusammenarbeit im Rahmen dieser Studie. Der ZVO wies bereits wiederholt darauf hin, dass die komplexen Verflechtungen von Liefernetzwerken zu zahlreichen, sich widersprechenden technischen Ansätzen führen würden. Gerade für KMUs, die in zahlreiche unabhängige Lieferketten eingebunden sind, sei eine solche Vorgehensweise nicht realisierbar.

Der ZVO weist dringend darauf hin, dass die Studie diverse wissenschaftliche Schwächen aufweise, die den Wert ihrer Schlussfolgerungen stark mindere und deren Objektivität in Frage stelle. Dies verdeutlicht der Verband anhand folgender Kriterien für sorgfältige wissenschaftliche Arbeit:

  • Die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse der Studie sei nicht verifiziert. […]
  • Die Aussagefähigkeit der Studie sei in einigen Aspekten in Frage zu stellen. […]
  • Die Studie sei nicht repräsentativ. […]
  • Die Richtigkeit der Studie und ihrer Aussagen sei in Zweifel zu ziehen. […]
  • Die Genauigkeit der Studie sei gering. […]

Zwar stimmt der ZVO mit den Zielsetzungen der Studie überein, regt jedoch dringend an, folgende Schlussfolgerungen aus dem vorliegenden Dokument zu ziehen:

  1. Die Untersuchungen der Studie sind auf eine repräsentative Anzahl betroffener Unternehmen auszudehnen. Die Studien sollten unabhängig von Regulierungsbehörden ergebnisoffen durchgeführt werden und ausreichende Förderung erhalten.
  2. Die von der Studie betrachteten Inhalte sind um Negativbeispiele zu ergänzen. […]
  3. Eine verbesserte Finanzierungssituation für Forschungsinstitute sollte nur für grundlegende Forschung an alternativen Technologien geschaffen werden. Gezielte Substitution bestimmter industrieller Prozesse müsse von der Industrie selbst vollzogen werden – denn nur hier sind die zu erfüllenden Spezifikationen bekannt. Es wäre daher zu begrüßen, wenn Fördermittel zur lieferkettenspezifischen Forschung und Entwicklung in größerem Maße und einfacher zur Verfügung gestellt würden.
  4. Die Studieninhalte sollten unbedingt auf langjährige Erfahrungen mit den Substitutionslösungen wie Marktakzeptanz oder Produktsicherheit ausgedehnt werden.
  5. Ebenso ist zu ergänzen, welche Änderungen des Risikos durch die Substitution verursacht wurden. Diese Folgeanalyse darf nicht ausschließlich die Emission des fraglichen Stoffes umfassen. Es sind vielmehr auch Fragen zu anderen Umwelteinflüssen, anderen Emissionen am Arbeitsplatz sowie anderen Risiken durch Prozessänderungen zu beantworten.
  6. Wirtschaftliche Folgen dürfen nicht ausgespart bleiben, um Substitutionswirkungen realistisch beurteilen zu können. Sie sind gleichwertig zu betrachten und zu berichten. Gerade für KMUs sind hier existenzielle Auswirkungen zu erwarten. […]

Der ZVO bietet jederzeit aktive Mitarbeit bei der Umsetzung der vorgeschlagenen Aspekte an.

Die obengenannten Punkte wurden redaktionell gekürzt. Das vollständige Positionspapier finden Sie unter www.zvo.org/publikationen/positionspapiere.html

Autor(en): Wi

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